Osterfeste sind Familienfeste und in kroatischer Form immer mit viel, sehr viel Essen (und Trinken) verbunden.
Mittagessen Sonntags ist zusätzlich eine Herausforderung in LeCro und Ostersonntag in einem kroatischen Dorf ist wie vermutlich Thanksgiving in Lousiana in den USA, oder auch wie bei den Siegesfeiern im Dorf von Aterix und Obelix – schlichtweg zu viel v.a. Fleisch.
Geschickt pokerte ich mich um das Frühstück herum und trank nur einen grünen Tee, während ich „ganz wichtig“ Fotos auf den USB-Stick kopierte – wichtig war es für mich allerdings durchaus, da ich nur noch Platz für neun Fotos hatte, ein unhaltbarer Zustand 😉
Um 11h00 ging es dann zu meinen Großeltern, wo wir dann kurz vor 12h00 die LeCro-Fassung dieses Marathon-„Branches“ mit in dieser Region traditionellen Hühner-Nudelsuppe starteten, wobei die Nudeln leider nicht selbstgemacht waren.
Es ging weiter mit Hühnerfleisch, sog. Mlince (in Hühnerbrühe aufgeweichten, zuvor gebratenen und anschliessend gebrochenen Nudelteigstücken), sowie als „Salat“ Essiggurken, dazu wurde Weissbrot aus der Grossbäckerei gereicht.
Als ob das nicht schon ausreichen würde, gab es nun die zum Auferstehungsfest – kurze Randbemerkung: eigentlich verwundert es mich, das Christen abfällig über „heidnische“ Bräuche sprechen und dabei selbst an solch‘ abergläubische Dinge glauben, ein Makel das aber alle Religionen in irgendeiner Weise haben – üblichen Eier, das Osterbrot (Hefezopf/brot) und Schinken mit frischen Merettichwurzeln.
Bei der Nachspeise, irgendwelchen sehr süssen „Krem-Schnitten“ zog‘ ich die Rote Karte und setzte aus – u.a. weil meine Großmutter seit ca. 5-8 Jahren selbst keine Kuchen mehr bäckt, sondern irgendwelche Supermarkt-Torten/-Kuchen gekauft und aufgetischt werden.
Pünktlich zum „dritten Gang“ bei dem ich/mein Magen noch mit einer Portion standhielt, wurden wir von einem Ortsbekannten Alkoholiker unterbrochen, der „gefüttert“ werden „muss“ und in diesem Fall mit einem Glas Weinschorle, sowie 50 Kuna abgespeisst wurde. Eine Unart die, vermutlich nicht nur in dieser Region, eine traurige Tradition hat so lange ich mich zurückerinnern kann – immer in den Ferien die ich hier verbracht habe – und mich vermutlich zum Abstinenzler erzogen hat. Dabei spielen die meistens 2-3 örtlichen Alkoholwracks eine tragische Rolle im Dorf-Bio-Geflecht. Als meist alleinstehende Männer, die sich Ihren Frust vom Leib zu trinken begingen, kommen Sie in einen mit dem Tod endenen Strudel Ihrer Trinkgelange hinein, den die Dorfgemeinschaft nicht unterbindet, sondern direkt und indirekt fördert. Da Wein hier sehr günstig ist, weil ihn jeder anbaut, startet der Gefährdete zwar vielleicht mit einem Bier, schwenkt aber schnell auf den Wein, erst in Schorle-, anschliessend nicht selten auch in Reinform um. Oftmals wird auch selbstgebrannter Pflaumen-, Birnen-, oder sonstiger Obst-Schnaps gereicht. Übrigens eine Mischung die bereits Jugendliche früh kennenlernen, auch wenn das hier sicherlich bestritten werden würde, so wie alles bestritten wird, was an dem oftmals künstlich aufgebauten, positiven Image kratzt – da unterscheidet Kroatien nicht von anderen Ländern, denn wo Licht, da auch Schatten (…“sagte der Herr und blass die Kerze aus“, so mein österlicher Beitrag). Neben diesen bereits sehr tragischen Umständen, ist der Dorf-Säufer allerdings nicht selten auch Informationsüberbringer, da er auf seinen Touren von Hof zu Hof so manche Geschichte und Schwank aus dem Leben (vornehmlich anderer Leute) aufnimmt und Gehirntrüb wie er ist, weitergibt. Anstatt sich dieser langsam-zu-Tode-Fütterung zu verweigern, wird die Spirale durch die Besuchten verstärkt: einerseits aus Scham und Sorge um das Bild dass der Säufer vermittelt oder womöglich gar auf der Strasse herumbrüllt, andererseits aus einem Drang Geschichten zu erfahren und unverstädlicherweise auch aus Verachtung („Nichtsnutz“) und Gleichgültigkeit („der muss doch selbst wissen was er tut“) heraus. So entledigt das Dorf sich Dorf, auf wie ab, auf „natürliche“ Weise dem Problem und als „guter Christ“ erweisst man, natürlich komplett überrascht und „ach, wie ein guter Mann er doch war, tuschel, tuschel….“ dem Trinkopfer seine letzte Ehre, auf dem Weg von der Kirche zum Friedhof. Und wie gesagt, anstatt der eigenen Verantwortung zu begegnen, wird gelacht, Scherze werden getrieben, und die Wahrheit wird verdrängt und verleugnet – na denn, Prost, Mahlzeit oder zivili (gesprochen „schiewili“), wie es hier heisst.
Wie immer spätestens zwei Tage nachdem ich hier bin, beginnt sich das ansonsten durchaus positive Bild zu trüben, was auch mit den immergleichen Familiengeschichten zu tun hat – aber so ist das nunmal – es wäre auch bestimmt nicht anders in einem anderen Land. Letztendlich darf man darüber nicht jammern, den entweder dringt man in dieses „Biotop“ ein, dann muss man es so wohl versuchen halbwegs zu akzeptieren, oder man lässt es besser bleiben – die Zweifel und die Widersprüche bleiben aber und die Frage ob man nicht doch etwas „verbessern“ kann an der nur halbwegs unzufriedenstellenden Situation – familiär, wie auch vor allem kulturell-gesellschaftlich. Auf der anderen Seite lebe ich nicht hier, weshalb die Einflußnahme gering ist und meistens nur Mollklänge verursacht.
Aber zurück zum eigentlichen Tagesgeschehen, den der Freßtag ist noch nicht zu Ende. Kaum beginnt der Magen nämlich zu verdauen, beginnt man naheliegende Verwandtschaft zu besuchen und als ob die nicht genau wüssten, was man eben gegessen hat – Ostersonntag ist überall gleich – wird man dazu aufgefordert vom eigenen Schinken zu probieren, in Variationen gereicht, mal mit Käse und frisch geriebenen Meeretich, mal mit eingelegten Gemüse oder auch Paprika vom Markt, letzterer neuerdings auch aus Spanien, oder Marokko.
Überhaupt hat die Globalisierung bereits auch hier alles im Griff, auch wenn sich viele, vor allem die Bauern, dem versuchen zu entziehen – aber wieso wird dann Shampoo von Nivea, (Billig-)Cola anstatt Fruchtsirup und günstigerer, abgepackter Schinken von irgendwoher, als teurerer, aus lokaler, bäuerlicher Produktion gekauft? Antworten dazu werden kaum geliefert, aber die neue Generation lernt es nicht anders und die alte und aktuelle Generation will es nur einfacher und besser haben – ein Streben, das verständlicherweise jede bisherige, der nachfolgenden Generationen wünscht, mit der Gefahr der Verwässerung von Kultur, wie sie hier zwar beklagt wird, aber wogegen kaum etwas unternommen wird – eine ganz typische Rolle wie sie übrigens in auch vielen ehemaligen sozialistischen Staaten vorkommt und vorgespielt wird. In Wahrheit aber z.B.reissen die Jungen die unpraktischen und kleinen Behausungen der alten Generation ein und bauen darauf nichtssagende zwei- bis dreistöckige 0815-Bauten die sich nur in Ihrer kitschigen Farbwahl von Burgunderrot/weiß, über türkis/braun, bis zu orange mit rosa. Dabei bietet meine auch weitere Familie keine Ausnahme, aber so ist nunmal der normale Lauf der Zeit und wer will schon Stillstand anstatt Weiterentwicklung. Allerdings muss man sich auch die Frage stellen ob man deshalb Fehlentwicklungen in Kauf nehmen sollte, wie es im Moment und bereits seit den letzten 50 Jahren getan wird, aber wenn Alle Bestandteil von solchen Fehlentwicklungen sind, dann wird oftmals der ursprüngliche Wert schlichtweg vergessen – aber vielleicht ist das auch nicht schlecht, wer weiss. Wichtig wäre eigentlich nur dass dieses Land und deren Kindern ohne den Hass der Grossväter und Väter aufwächst, welcher zu dem Krieg in den 1990’er Jahren geführt hat und dazu kann die bereits erfolgte Globalisierung (und ich habe bisher nur Randaspekte angesprochen) durchaus beitragen.
Nach weiteren Fressorgien kamen wir dann übrigens gegen 18h00 zurück zum Ausgangspunkt zurück und was will meine Oma? Schinken auftischen! Mit Verweis auch noch bevorstehende Verwandtschaftsbesuche konnte ich das heroisch abwehren, aber keine 20 Minuten später kam bereits derselbe – aller Anti-Schinken-Diplomatie zum Trotz- und es gab Schinken, Käse, Eier, Brot und Torten/Kuchen. In dem Getummel ging allerdings unter, dass ich nur ein Brot gegessen habe und im Anschluss bei der Freundin meines Vaters noch ein Stück Mohnkuchen mit Milch, so dass ich mich erfolgreich in den Abend hineingemogelt habe.
Beim kopieren weiterer Fotos bereits gegen neun Uhr, juckte mich dann der Hals und um 21h30 beim Zähneputzen und inspizieren des Juckreizes bemerkte ich einen ganz kleinen, schwarzen Fleck. Der sich nach wegkratzens tatsächlich als Zecke herausstellte. Ein unnötig unschönes Finale, welches aber glücklicherweise dank der frühen Erkennung hoffentlich Ergebnislos bleibt.
Und schon war auch dieser dritte und letzte Tag vorbei – morgen geht es zurück. Müde und etwas abgekämpft, aber auch voller Eindrücke und anderer Farben im Kopf nehme ich einen Zug gg. 12h00 nach Zagreb, mache Mittag in der Hauptstadt, steige dann in den Flughafen-Bus um abschliessend den Flieger um 16h55 zu erreichen.